April 2001

Enrik Hüpeden



Ausstellung mit einer Auswahl
zeitgemäßer Lehrmittel

Vernissage und Vorstellung der Vereinsedition:
Sonntag, 29. April 2001, 11:30 Uhr

5 Tage hat Enrik Hüpeden in den Räumen des Kunstvereins gelebt und gearbeitet, um die jetzt anzutreffende Hängung der Bilder, bzw. die Gesamtbespielung inklusive der verschiedenen Wandarbeiten zu erarbeiten. Intensiv hat er sich mit den Räumen des Kunstvereins auseinander gesetzt und mehrfach erste Überlegungen der Präsentation verworfen, bis es zu der nun gültigen Plazierung der Arbeiten gekommen ist. Die Räume des Kunstvereins setzen mit all ihren Besonderheiten wie Bodenstrukturen und Wandgliederungen das genaue Ausloten von Kräften voraus, damit der letztendliche Eindruck ein stimmiger ist. Insbesondere muss der Künstler den Raum dann genauestens erfasst haben und verstehen, wenn das Thema seiner Kunst selbst die Sprache der Räumlichkeit aufgreift. Denn jedes hier

vorgestellte Werk lebt von der Kombination unterschiedlicher räumlicher Formen, die darauf angelegt sind, den Betrachter in seiner Wahrnehmung zu irritieren.

Die in den Augen des Künstlers sehr dominierende Nische im Erdgeschoss des Kunstvereins erscheint nun durch die Bespielung auf den ersten Blick erstaunlich leicht, allein eine kleine Arbeit lenkt den Blick auf sich. Wie ein Wegweiser, so sagt der Künstler, führt sie den Betrachter zur nahegelegenen Wandarbeit und von dort auf den gegenüberliegenden Block von For-men. Hier ist es plötzlich sehr massiv und hier sind sie nun auch gebündelt zu finden, die be-sagten Lehrmittel des Enrik Hüpeden. Steht man vor den 12 Tafeln so wandert das Auge in 12

verschiedene gefundene Raumkörper. Pro Arbeit sind zwei unterschiedliche Körper, einer aus Farbe, der andere aus Linien, miteinander verspannt. Und diese Verspannung ist es, die es zu studieren gilt. Wie Gudrun Bott, Leiterin vom Schloss Ringenberg schreibt, "sucht unsere zen-tralperspektivisch geschulte Wahrnehmung nach einem plausiblen, zusammenhängenden Bild-raum analog zur Alltagserfahrung, um schließlich einem imaginären Raum von ganz eigener Logik zu begegnen, der nur innerhalb des Bildes existiert." Dabei ist für den Künstler die Technik weniger von Belang. Jedes Bild zeigt aus sich heraus, wie es gemacht ist, Ölfarbe gespachtelt und gezogen, Graphitstift, im Grunde ganz ohne Geheimnis - allein die Resultate sind es, die den Betrachter staunen

lassen und dazu animieren, Fragen zu stellen.

Die 12 Arbeiten verstehen sich als eine Art Ideenpool von Formen, wobei das Zusammenspiel von Farbe und Form von großer Bedeutung ist. Farbe und Form antworten aufeinander wie ein gut eingespieltes Paar in einer Quizshow. Nur gibt es nichts zu gewinnen. Oder vielleicht doch? Denn das Studium einer jeden Arbeit, sprich eines jeden Lehrmittels, lässt jeden Einzelnen seine Erfahrungswelt von Raum nachhaltig überprüfen. Deutlich wird das nicht nur dann, wenn dem Betrachter der besagte "plausible und zusammenhängende Bildraum" bei der Betrachtung der Arbeiten entgleitet. Die Subjektivität und auch Relativität von Raumwahrnehmung lässt sich vor allem auch

im Zusammenspiel der kleinen und großen Arbeiten hier im Kunstverein erleben. Die kleine, von Hüpeden selbst humorvoll als Wegweiser bezeichnete Arbeit in der Nische macht die Gewalt dieser Architektur nicht weniger erfahrbar, als der gegenüberliegende Block aus 12 Rahmen. Und an der Längswand zieht die kleine Fotografie aus den 60-er Jahren von New York den Betrachter unweigerlich nah an die Wand, wodurch sein Blickfeld auf diese, sprich seine Wahrnehmung von Raum, einer massiven Wandlung unterliegt.

Die von Enrik Hüpeden entwickelten Arbeiten verweisen nur entfernt auf vertraute Dinge unserer Welt wie geometrische Körper, architektonische Gebilde oder möglicherweise rätselhafte Piktogramme. Vielmehr lenken sie

den Betrachter über ihre eigenwillige Scheinräumlichkeit zur bewussten Wahrnehmung des sie umgebenden Umraumes. Dessen von Betrachter zu Betrachter verschieden erlebte Gestalt ist dabei ebenso Thema, wie der daraus resultierende Reichtum an Erfahrungen.

Dr. Christian Krausch