März 2002

Wolfgang Lüttgens



Schichten - Arbeiten mit Fotografie

Vernissage und Vorstellung der Vereinsedition:
Sonntag, 3. März 2002, 11:30 Uhr

Es spricht: Dr. Edith Decker-Phillips

Wolfgang Lüttgens' Ausstellung im Kunstverein Region Heinsberg zeigt eine Serie von Schwarzweißfotografien. Sie sind das Ergebnis einer gut einjährigen Arbeit. Ihr Thema ist das Künstleratelier. Wie bei allen fotografischen Arbeiten von Wolfgang Lüttgens erschließt sich das Abgebildete nicht auf Anhieb. Erst durch genaues Hinsehen entdeckt man identifizierbare Gegenstände und Raumsituationen. Manchmal wird man aber auch in die Irre geführt. Der vermeintliche Gegenstand ist dann eine Form, die sich zufällig ergeben hat.

"Schichten" ist der treffende Titel der Ausstellung, denn jede der Arbeiten setzt sich aus mehreren Aufnahmen zusammen. Was vor fünf Jahren in mühevoller und auch

frustrierender Dunkelkammerarbeit begann, erledigt der Künstler heute mit Hilfe des Computers. Die digitale Bildbearbeitung eröffnet diesem Werk neue und präzisere Möglichkeiten der Gestaltung als die Mehrfachbelichtungen in der Dunkelkammer. Für jede Arbeit werden 6 bis 10 Schwarzweißnegative eingescannt und anschließend in positiver Ansicht bearbeitet. Durch das Ineinanderkopieren der Aufnahmen entsteht nach und nach das neue Bild.

Die Anmutung dieser Serie der Atelierbilder ist grafisch. Man fühlt sich an konstruktivistische Formen erinnert, zum Beispiel an Laszlo Moholy-Nagys Lichtkinetik. In ihrer Fragmentierung ergeben die Raumansichten ein abstraktes Bild, das sich weitgehend von

seinem Ursprung in der Realität entfernt hat. Über das visuelle Abtasten der Oberfläche kommt ein Prozeß des Suchens und Findens in Gang. Man sieht die Bildsegmente jetzt als dreidimensional ineinander verschachtelte Lichträume. Inhalt und Form sind bei dieser Serie verschiedene Dinge. Die Fotos der Künstlerwerkstatt werden zugunsten des abstrakten Bildes bis zur Unkenntlichkeit zerstückelt, doch sie lösen sich nie vollständig auf. Vielmehr ziehen sie den Blick auf sich und vermögen das Auge eine ganze Weile zu beschäftigen.
Mit seinen Arbeiten stellt Wolfgang Lüttgens hohe Anfordungen an unser Sehvermögen. Nicht im Sinne von optischen Täuschungen oder inhaltlichen Rätselbildern. Wir müssen

diesen Arbeiten Zeit und Aufmerksamkeit widmen, dafür tragen sie aber zur Schärfung unserer Wahrnehmung und Sensibilisierung bei.

Wolfgang Lüttgens ist kein Fotograf. Doch wie für viele andere Maler und Zeichner hat sich die Fotografie mit ihren heutigen Möglichkeiten als das fruchtbarere Medium erwiesen. Auf diese Weise kann er - wie er es selbst formuliert - Auflösung und Klarheit zugleich darstellen. Mit seinen Arbeiten führt er das Foto wie auch unsere Wahrnehmung an den Rand des Möglichen. Wir sehen eine Abstraktion der Realität und haben die Wahl, was wir erkennen wollen. Diesen Vorgang kann man letztendlich als Metapher für unsere Wahrnehmung der Realität im allgemeinen

sehen - denn nichts ist schwieriger als die Dinge so sehen wie sie sind.

Edith Decker-Phillips