18. Oktober 2009, 11:30 Uhr

LAUFBAHNEN
Ulli Böhmelmann, Installation
Frank Schablewski, Klangpoesie
18. Oktober bis 07. November 2009


Zur Ausstellungseröffnung am Sonntag, den 18. Oktober 2009 um 11:30 Uhr laden die Kunst-Stiftung der Kreissparkasse Heinsberg und der Kunstverein Region Heinsberg e. V. im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Kunst und Literatur“ Sie und Ihre Freunde herzlich ein.
Begrüßung: Dr. Richard Nouvertné, Sparkassen-Kunst-Stiftung
Einführung: Frank Schablewski, Düsseldorf
Die Künstler werden anwesend sein.
Zur Ausstellung erscheint ein Katalog und eine Edition.

Öffnungszeiten: Sonntag 11-17 Uhr, Freitag 15-18 Uhr, und nach Vereinbarung

Die Kunst-Stiftung der Kreissparkasse Heinsberg fördert in ihrer Veranstaltungsreihe "Kunst und Literatur" in diesem Jahr ein Projekt der Künstlerin Ulli Böhmelmann in Kooperation mit dem Schriftsteller Frank Schablewski. Das Projekt wird in Zusammenarbeit mit dem Kunstverein Region Heinsberg realisiert.Ulli Böhmelmann wird in den Räumen des Kunstvereins eine begehbare Installation mit dem Titel „Laufbahnen“ zeigen. Frank Schablewski komponiert dazu eine Klangpoesie.

Ulli Böhmelmann (geb. 1970 in Mainz) studierte von 1992 bis 1998 an der Hochschule für Künste Bremen; 1999 Ateleliergründung in Köln. Zahlreiche Stipendien, Einzelausstellungen und Ausstellungbeteiligungen folgten, z.B. die Ausstellung „Gespinst 1“ begehbare Installation, Bellevuesaal, Wiesbaden; „Gespinst 2“ im Kunstraum 28/30, Köln; und „Gespinst 3“ im projektraum4, Mannheim; in Wiesbaden die Ausseninstallation „Blaues Band“ in der Platanenallee des Kaiser-Friedrich-Rings; in Viersen die Ausstellung „Luftschwünge“ in der Generatorenhalle.
Schwerpunkt der Arbeiten von Ulli Böhmelmann sind ortsbezogene Objektinstallationen in Räumen mit besonderer Atmosphäre. Die Objekte entstehen eigens für einen bestimmten Ort unter Einbeziehung der natürlichen Lichtverhältnisse. Transparente Materialien verstärken die Wege des natürlichen Lichts. Ihre bevorzugten Werkstoffe sind leicht und verletzlich : dünne Papiere, Vliese, Gipse oder Silikon. Das Arbeiten mit Raum durch plastische Eingriffe in den Raum und die sich daraus neu ergebenden Sichtweisen, charakterisieren den Kern des plastischen Denkens der Künstlerin.

Im Kunstverein Region Heinsberg entsteht eine Rauminstallation als Labyrinth mit von der Decke hängenden Bahnen aus weissem, dünnem, transparentem Papier, das eigentlich ausschliesslich als Zigarettenpapier produziert wird. Die Besucher können sich durch das Labyrinth bewegen und können beim Verweilen im Labyrinth den Raum und sich selbst als Protagonisten der Installation erfahren.
Die zweite Komponente des Projekts ist eine Klangpoesie von Frank Schablewski, die am Eröffnungstag uraufgeführt wird. Sie begleitet einfühlsam die Installation von Ulli Böhmelmann und dient gleichzeitig als Einführung in das Projekt.

Frank Schablewski (*1965 in Hannover / Deutschland) Ab 1985 Studium der bildenden Kunst sowie Studium der Literatur an der staatlichen Akademie für bildende Künste in Düsseldorf, sowie Tanz an verschiedenen Instituten in Deutschland, der Schweiz und Frankreich.Neben dem literarischen Schaffen entstehen in der interdisziplinären Arbeit mit Künstlern Artefakte visueller Poesie, Katalogtexte und literarische Kunstreden.
Zahlreiche Arbeitsstipendien und Reisestipendien im In-und Ausland, viele Förderpreise für Literatur, Veröffentlichungen von Gedichten und Texten zur Kunst sowie Inszenierungen von Kunst und Tanz.

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Laufbahnen - zur Rede gestellt

Heidegger sagte, dass die Zeit den Raum bestimmt, Einstein bezeugte das Gegenteil, der Raum bestimmt die Zeit. Eine Laufbahn zeigt den Weg, der in einer bestimmten Zeit zurückgelegt wird. Die Künstlerin Ulli Böhmelmann gliedert die Räume des Kunstvereins Region Heinsberg neu. Gegen die Anhäufung von Raum, die ein Haus bedeuten kann, zieht Ulli Böhmelmann papierne Bahnen und teilt den Raum mit transparentem Weiß. Menschliches Leben bedeutet Teilung, aus einer Zelle werden zwei. In einem Raum werden Bahnen, Wege gelegt, wie vorgeschrieben, doch ohne jegliches Schriftzeichen. Allein Klänge tasten den abstrakten Raum aus, den auch das Labyrinth darstellt als gedankliche Ordnung. Das gesprochene Wort in dem unsichtbaren Motiv der Überlieferung wird in einer unregelmäßigen Schleife gesprochen. Die Poesie, die sich wie die Installation dem Zweck entfremdet. Und das bedeutet im wortwörtlichen Sinne, dem Zeck nicht fremd sein. Den Zweck eines Lebenslaufes oder vieler kennzeichnen Laufbahn und Rennbahn.

Der hiesige Weg, der verwickelte Weg, das Verwirrende der Gänge verweist auf den Ursprung des Wortes Labyrinth, auf den Palast von Knossos auf Kreta. Ein Irrweg erhöht die Bedeutung des Raumes durch einen höheren Zeitaufwand, den es jetzt bedarf, die vorgeschriebenen Wege mit eigenen Worten neu zu bemessen. Licht und Weiß prägen diese Installation von Ulli Böhmelmann. Licht und Glanz besagt ursprünglich das hebräische Wort Saphira, die Zahl oder Ziffer. Ein berechneter Raum? In der Kabbala gibt es 32 Wege der Weisheit aus Zahlen und Buchstaben. Sprachlich klingen Geistigkeit und Farbe ähnlich im Deutschen. Obschon das Weiß die Schönheit in der Natur hoch veredelt und verfeinert, obgleich verschiedene Völker in dieser Farbe königliche Erhabenheit gesehen haben und das Weiß zum Zeichen der Freude geworden ist und weiter zum Sinnbild menschlicher Beziehung.
Die Farbe Weiß beleuchtet in jeglichen Mysterien Gottesnähe. Und trotz aller Anklänge an Anmut und Erhabenheit geht von diesem Farbton etwas Ungreifbares aus, das die Seele stärker in Aufregung versetzen kann als jenes Rot des Blutes. Dieses Ungreifbare scheint bis zum Äußersten gesteigert werden zu können.

In der französischen Sprache wird das Wort für den weißen Hai und das Wort für Messe und Trauermusik zu einem seltenen unreinen Reim. requin – requiem.

Ulli Böhmelmann spannt das Papier zu extremer Ausdehnung wie von schriftloser Rolle, die den Betrachter zu sich kommen lassen sollen. Als wäre die Installation eine räumliche weiße Flagge, die Aufgabe im mehrfachen Sinn gestaltet über Kapitulation und Pflicht hinaus. Wie unbeschriftete Verträge zieht das Weiß den Betrachter in den Bann und taucht sinnbildlich der Reim zum Licht ein. Das weiße Papier als Feld unbegrenzter Möglichkeit, wo jeder Schritt sich ins Gedächtnis einschreibt, das individuell ist. Kanäle von Leben und Vergänglichkeit bahnen sich durch den Raum als überirdischer Bau. Ein Kinderspiel beginnt mit den Worten, ich sehe was, was Du nicht siehst und das ist.

Frank Schablewski