SVENJA MAAß
MALEREI
„LOOKALIKES“
16.11. > 07.12.2014

Zur Ausstellungseröffnung am Sonntag,
den 16. November 2014, um 11.30 Uhr laden wir Sie
und Ihre Freunde herzlich ein.

Einführung: Ulla Lohmann, Kunstsammlerin
Die Künstlerin ist anwesend. Es erscheint eine Edition.

Öffnungszeiten:
Sonntag 11–17 Uhr, Samstag 15–18 Uhr, und nach Vereinbarung

Svenja Maaß ist 1977 in Bielefeld geboren.

1997-2004 studierte sie Freie Kunst an der Hochschule für Bildende Künste
in Braunschweig mit dem Abschluss als Meisterschülerin.

2008 und 2010 hatte sie einen Lehrauftrag an der HBK Braunschweig und an der HAW Hamburg.

Svenja Maaß lebt und arbeitet in Hamburg.

Allein unter Gegenfüßlern

von Ulla Lohmann

Svenja Maaß hat sich der Malerei verschrieben, wohl einer der ältesten Techniken künstlerischen Ausdrucks, begrenzt in der Dimension, lediglich orientiert auf die Linie, die Fläche, die Form und die Farbe. Die entscheidenden Erfindungen in diesem Genre sind längst gemacht. Bereits seit dem 16. Jahrhundert ist die Zentralperspektive bekannt. Die fotorealistische Darstellung ist ebenso Geschichte und auch das schwarze Quadrat wurde schon gemalt. Pinsel, Farbe und Leinwand könnten also endgültig der Vergangenheit angehören, eingepackt in den Instrumentenkoffer einer vormedialen Zeit.

Nicht so bei der Künstlerin Svenja Maaß. Sie malt mit immenser Energie, scheinbar grenzenloser Phantasie und äußerster Präzision. Leinwand, Buchbinderkarton, Aluminium oder Transparentpapier sind das Trägermaterial. Ihre Bilder können durchaus als gegenständlich bezeichnet werden, aber sie sind dennoch keineswegs Abbild. Sie zeigen zwar Bekanntes und stellen trotzdem nicht die Wirklichkeit dar. Irgendetwas fehlt. Irgendetwas ist zu viel. Irgendetwas ist unpassend, auch wenn die Werke noch so klar und unmittelbar daher kommen. Es bleibt immer eine Irritation, ein Art von Bildstörung, die sich sehr bald zu einer Verstörung auswächst. Der erste Eindruck trägt kaum über den Moment hinaus. Da helfen selbst die Titel, von denen ja gelegentlich Orientierung erhofft werden kann, auch nicht weiter. Hier wäre „o. T.“ vielleicht hin und wieder sogar eine Entlastung. Aber nein, man ist ganz auf sich gestellt.


„Du wässerst meine Kresse“ heißt eine dieser Bildunterschriften. Das Werk, Öl auf Nessel, ein Großformat von 190 x 270 cm. Vor schwarz-blau, diffus strukturiertem Hintergrund liegt ein Känguru, Kopf und Schultern aufgerichtet, gedoppelt wie in einer Blaupause, darüber ein wolkenähnliches Objekt. Im Vordergrund stehen bogenförmige, architektonische Elemente. In frischem Weiß drängen sie sich kontrastreich auf. Dann ein Stück von einem Seelöwen, Kopf oder Füße? Über allem zieht eine dünne Wurst-Girlande. Der Bildraum ist aufgelöst. Die Bildgegenstände haben keinerlei unmittelbaren Bezug mehr zueinander, sie scheinen frei und unabhängig. Diese bei Svenja Maaß neue Form des Bildaufbaus korrespondiert gleichsam mit den sich zunehmend selbständiger entwickelnden Titeln. Ihre „Relevanz tritt zurück, sie kommen jetzt nach der Malerei, nicht mehr in unmittelbarem Zusammenhang, die Sujets sind sprachlich schwieriger zu fassen“, so die Künstlerin.

Svenja Maaß beschreibt dies als ein verstärkt assoziatives Arbeiten. Waren es bisher die Themen, Motive und Titel, die zunächst konzeptionell erfunden und durchdacht wurden und denen im Malprozess Raum und Gestalt gegeben wurde, so sind es jetzt einzelne Fragmente, die Zug um Zug die Fläche erobern und mit ihrer Bruchstückhaftigkeit bevölkern und prägen. Inhaltliche und motivische Partikel werden in spontaner, intuitiver Abfolge kompositorisch verknüpft. Mehrere Schichten überlagern sich jetzt, sind verwoben. „Bilder, die ich erst denke und dann male langweilen mich inzwischen“ meint die Künstlerin. Sie möchte „das Denken während des Malens stattfinden“ lassen, will „sich selbst mehr überraschen“. Das Umdenken kommt jetzt schneller als das Scheitern.

Überraschendes bietet aber nicht nur der Malvorgang sondern auch das Bildergebnis. Und hier ist das Denken erneut gefordert - das Querdenken, das Andersdenken. Das alte Wissen, die traditionellen Maßstäbe der Bildanalyse sind ausgehebelt. Die bisherigen Sehgewohnheiten lassen sich nicht mehr verwenden. Also ist man schon wieder allein. Es beginnt eine Suche, eine Entdeckungsreise durch fremdes Terrain. Was gibt es denn eigentlich zu sehen? Neugierde, ja Forscherdrang stellt sich ein.

Das Bildpersonal hat Svenja Maaß stark verändert. Es wird jetzt wesentlich durch die tierischen Protagonisten bestimmt. Nur vereinzelt, eher sporadisch bindet sie einige Personen-Portraits noch ein. Die zentralen Figuren stellt sie vor undeutlich vieldeutiges Hintergrundgeschehen - die Farbe Blau, grün-gelb-orange gestreifte Flächen, unfertig ausgemalte Muster, Girlanden, Markisen und Bordüren. Das weckt Assoziationen, vor allem dann, wenn sich darüber Köpfe aus Spätmittelalter und Barock, Wurstknäuel, Wolkengebilde oder brennende Kerzen einfinden. Sollte es sich dabei eventuell um Zitate aus dem Fundus verschiedener Epochen der Kunstgeschichte, bis hinein in die jüngste Zeit, handeln?


Die Künstlerin bleibt im Ungefähren, vage aber doch entlarvend, wenn sie auf einem Medallionformat einen Trupp von Erdmännchen in „unvermeidlichem Halleluja“ eine angezündete Kerze bewundern lässt. Ihre subtile Ironie spielt sie bei einem noch höheren Wesen im weißen, päpstlichen Ornat aus, das mäkelnd, von oben herab, an einem Dreieck oder etwa an einer „Dreifaltigkeit“ herumkratzt. Und manchmal sind die Bilder vielleicht einfach nur amüsant. Die Schwänze der Lemuren, in unendlich herzlicher Verschlingung, finden nun mal keinen logischen Weg und kein wirkliches Ende - „think tank (looop)“.

In ihrer Künstlichkeit vollends utopisch sind die „Vellums“. Das sind malerische Cut-Outs auf Transparentpapier, futuristisch, surreal in der Wahrnehmung. Fragmente von Lebewesen oder einfachen Alltagsfundstücken schweben haltlos vor matt schimmerndem Fonds. In ihrer ausgeprägt realistischen Darstellung wirken sie objekthaft und scheinen aus dem Bildhintergrund heraus zu wollen. Durchdringend direkt schauen einige Tiere, oft reduziert auf Köpfe, gelegentlich noch mit Vordergliedmaßen ausgestattet, den Betrachter an. Obwohl manche von ihnen mit Wohlfühlaccessoires wie Pelz und bunten Farben ausgestattet sind, funktionieren sie in ihrer Unvollständigkeit und Nachdrücklichkeit doch außerordentlich beunruhigend.

Kreaturen einer anderen Welt repräsentieren offenbar auch die „Gegenfüßler“. Portraitiert, gedoppelt, einem psychologischen Rohrschachtest oder einer Spiegelung gleich, werden Wildpferde, Lamas, Hunde und andere Tiere gleichermaßen auf die Leinwand gebracht. Das Fragmentieren, das Doppeln von Motiven betreibt Svenja Maaß als eine Art des Collagierens mit malerischen Mitteln. Deformation und Dekonstruktion der Realität sind dabei unbedingte Voraussetzungen für Innovation. Dann werden die einzelnen Elemente Stück um Stück wieder zu einem Bild zusammengesetzt. Auf diese Weise können die Protagonisten separiert vom alten Kontext unabhängig und zeitlos werden. Und nur so sind sie in der Lage eine neue Identität zu gewinnen, eine neue Aussage zu treffen, sich zu emanzipieren.

Gegenfüßler, Antipoden, Spiegelungen, das sind Reflektionen des Bekannten und doch niemals dasselbe. Sie sind immer eine Gegenposition, das Andere, das Duale im Selbst, auch wenn es noch so gleich erscheint. Reflektion bedeutet aber auch nachdenken, weiterdenken und das heißt Fortschritt und Erneuerung. Die Antipoden sind ein ebenso evolutionäres wie revolutionäres Produkt. Hier stellen sich die Bilder „vom Kopf auf die Füße“.