THOMAS VIRNICH

SKULPTUR

„SCHALK IM KASTEN“

23.08. – 13.09.2015

Zur Ausstellungseröffnung am Sonntag, 
den 23. Ausgust 2015, um 11.30 Uhr laden wir Sie und Ihre Freunde herzlich ein. 

Einführung: Norbert Schmalen

Der Künstler ist anwesend. Es erscheint eine Sonderedition.

Öffnungszeiten: 
Sonntag 11–17 Uhr, Samstag 15–18 Uhr, und nach Vereinbarung

VITA

1957in Eschweiler, lebt und arbeitet in Mönchengladbach und Soller, Mallorca
1978-81 Studium an der RWTH Aachen bei Joachim Bandau
1981-85 Studium an der Kunstakademie Düsseldorf bei Alfonso Hüppi und Eugen Gomringer
1983 Reisestipendium der Gesellschaft der Freunde und Förderer der Kunstakademie Düsseldorf; Förderpreis der Stadt Aachen; Förderpreis des Bundeswettbewerbs „Kunststudenten stellen aus“; Förderpreis des Bundesministeriums für Bildung und Wissenschaft
1983 Förderpreis der Stadt Aachen
1983 Förderpreis des Bundesinnenministeriums für Bildung und Wissenschaft
1987 Villa-Romana-Preis, Florenz
1987-89 Karl-Schmidt-Rottluff-Stipendium
seit 1992 Professur an der Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig
1995 Stipendium Villa Massimo, Rom
2001 Niedersächsischer Kunstpreis

Wolfgang Feelisch im Gespräch mit Thomas Virnich
Kugel als ideale geometrische Form?
Die Kugel ist tatsächlich wohl eine ideale geometrische Foriti, eine Urform, ohne Ecken und Kanten.
Machtsymbol und auch Ursprungssymbol. Denk z. B. an die Butterkugel im hin­duistischen Denken aus der in der Hand des Shiva-Kindes die Welt entsteht. Oder denk an die goldenen Äpfel der Hesperiden, die wie die Früchte vom Baum der Erkenntnis im Paradies nur den Göttern bzw. einem Gott vorbehalten waren. Heute hantieren wir damit.
Ich glaube, dass in all diesen Dingen eine große Weisheit steckt, und es ist gut, ihre Geschichten zu kennen, aber noch wichtiger scheint mir, dass wir die Symbole der Geschichte in einen Zusammenhang mit dem Heute bringen. Daran arbeiten wir ja.

Es ist ja interessant, dass es erst in unserer Zeit, erst in den letzten Jahren möglich geworden ist, unseren Planeten zu objektivieren, ihn als Objekt sinnlich wahrzu­nehmen. Erst seit es uns Menschen gelungen ist, diese blaue Murmel von einem exterrestrischen Punkt aus zu betrachten, ist die Welt ein realer, wirklicher Gegen­stand. Bis dato war die Erde ein geistiges Konstrukt, für das die Wissenschaft Beweise errechnete. Noch weiter zurück in der Geschichte war sie reine Vorstellung in einem fiktiven Raum, siehe Kopernikus, Galilei usw. Und es gab ja auch lange Zeiträume, in denen man sich darauf versteifte, dass die Erde eine Scheibe wäre.
Hier kommt es zu einer Erkenntnis: die Anschauung der Erde zeigt trotz aller Größe ihre Endlichkeit. Ein Raumschiff, das kein Leck bekommen
darf. Nie war unsere Erde als Planet so in aller Munde wie heute. Das Bild des blauen Planeten ist Allgemeingut, und aus diesem >Symbol< her­aus kann ich meine eigenen Bilder entwickeln.

Es scheint, das Reisen, sowohl ganz real als Ortsveränderung innerhalb Deutschlands, innerhalb Europa und der Welt, als auch das fiktive Reisen in Welträume, in erträumte, erdachte Zeiten und Zeitalter, ist ein Teil Deiner Arbeit.
Reisen ist ja nur wertvoll, wenn sich Bilder formulieren können.
Ich glaube, es ist wichtig, eine Identität gefunden zu haben, wenn man zu anderen Orten aufbricht und alles in einen Zusammenhang stellen möchte. Provinzkünstler sind ja keine Künstler, oder?
Ich glaube, diese Phantasie, die Du da ansprichst, ist Teil der menschli­chen Natur und konkretisiert sich >augenfällig< beim Künstler, hoffent­lich bei mir.

Gut, bleiben wir bei dem Gedanken: dann sieht das so aus, dass jede Ortsverände­rung, jede Reise, dazu führt und so aussieht, dass wir unsere Welt, unsere ureigene, höchst persönliche, subjektive Welt regelrecht mit uns schleppen. Jeder sein eigener Atlas. Aber Atlas war ein Gott …
Vielleicht war Atlas doch kein Gott, denn er trägt so schwer an dieser Welt. Ich glaube doch, dass wir uns über unsere innere subjektive Welt miteinander verständigen können.
Gestern war ich mit einem jungen Komponisten, Frederick Zellen, in Pompeji und Erkulaneum. Da es seltsamerweise regnete, war das ein wundersamer einsamer Spaziergang durchs Altertum. Wir schauten aber nach etwas ganz Bestimmtem. Nach abgeformten Musikanten. Der Musiker hatte nämlich beim Einblick in meine Arbeit und Ausstellung die Idee, um eine Komposition herum eine >Hüllenkomposition< zu schrei­ben. Am Klavier konnte er mir das auch schon zeigen. Na ja.
Mir kam spontan die Lust, jetzt oder später ein Futteral herzustellen, in dem Spieler und Instrument gleichermaßen Platz finden. Die Form muss sich natürlich nicht nur öffnen, sondern zu etwas anderem auflösen, siehe schon eine erste Zeichnung von heute.
In Glücksfällen gibt es also auch eine gemeinsame Welt.
Ich glaube, dass Musik und Kunst hier den Raum schaffen.

Das Schaffen von Dingen, das Schaffen von Kunst, ist das Erschaffen von Welt. Ob in der Literatur, Musik, Bildhauerei usw. So ist Kunst auch nicht außerhalb unseres Da-Seins, sondern ist Welt — exemplarisch. Erst durch das jedem Men­schen eigene Machen und Entwickeln entsteht Welt, entstehen Welten. Ohne den Akt des Machens besteht nichts. Null. Nada. Niente.
Die These der 6oer Jahre stimmt eben doch: »Kunst ist Leben und Leben ist Kunst! «
Aber es gibt verschiedene Qualitäten. Wo fängt beim Weingenuss die Kunst an? … Wenn man Blumen liebt, Ihnen gute Erde gibt und Wasser, dann werden sie immer schöner. Ich glaube, dass Menschen die Fähigkeit haben, innerlich zu wachsen und geistig immer reifer zu werden — ein schöpferischer Prozess, bei dem nicht die Gegenstände, sondern das Leben selbst immer wertvoller werden.

Tatsache ist aber andererseits, dass in unserer Gegenwart die Auseinandersetzung mit Wahrnehmungsphänomenen (formal und inhaltlich) zunehmend nur noch begrifflich geschieht. Man verzichtet auf sinnliche Aneignung. Die Welt als digi­talisiertes Konstrukt oder als virtuelle Erscheinung verdrängt die Erfahrung. Klei­ner Hinweis: in diesem Wort steckt das Verb Fahren, nämlich sich selbst fortbe­wegen.
Heute bleibt man immobil und fremd, entfremdet. Ende der Kunst = Ende der Welt.
Der gegenwärtige Änderungsprozess der Wahrnehmung, ausgelöst durch
Entwicklungen der Technik, gibt uns zwar Riesenmöglichkeiten für Informationskonsum. Aber das ist nur insoweit von Interesse, wie die Informationen höchst persönliche Interessen betreffen und wieder zu aktivem Verhalten führen. Stundenlanges Fernsehen z. B. berauscht nur die Sinne. Letztendlich macht es unzufrieden, weil man nicht wirklich etwas erlebt hat. Man ist geradezu außer sich. Meines Erachtens geht es darum, bei sich selbst zu verweilen bzw. bei sich selbst verweilen zu können.
Der Künstler ist archaisches Relikt, der sich seine Wünsche selbst in Form setzt.

Sicher. Es bleibt, was immer war: die Kunst wird und muss das objektivieren, was sonst nur verinnerlicht bliebe. Kunst schafft diese Welt zum Anfassen, macht sie erfassbar. Es entstehen Welten für sinnliche Anschauung, Welten für Betrachtung, Welten zur Lust und zur Auseinandersetzung.
Kunst ist immer in höchstem Maß eine persönliche Angelegenheit. Sie entspricht dem einzelnen Menschen als einem Individuum, das sich in der Welt orientiert. Kunst lässt sich weder in Aussage noch Welt-Definition verallgemeinern, auch wenn sie Kommunikation schafft. Zwischen Künstler und Rezipient ist Kunst ein Gespräch ohne Übersetzung.
In der Kapuzinergruft in der Via Veneto in Rom steht ein Spruch, der viel von dem sagt, was ich meine: »Wir waren so, wie Ihr jetzt seid. Ihr wer­det so sein, wie wir jetzt sind.« Und damit ist nicht allein die Vergänglich­keit gemeint.

Edition 109

THOMAS VIRNICH

Glasierte Tonfigur (Sonderedition)
Höhe ca. 15 cm

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